Haushalt 2021 der Stadt Ingolstadt

Oberbürgermeister Christian Scharpf kündigt Konsolidierungsprogramm an

Scharpf: „Wir stehen vor dem Hintergrund einer schwierigen wirtschaftlichen Gesamtsituation.“
Scharpf: „Wir stehen vor dem Hintergrund einer schwierigen wirtschaftlichen Gesamtsituation.“

Dr. Christian Scharpf, Oberbürgermeister der Stadt Ingolstadt, hat sich ausführlich zur wirtschaftlichen und finanziellen Situation geäußert. Er kündigte auch ein Konsolidierungsprogramm an.

immonews.IN, der Nachrichtendienst für Immobilienpreise und Mieten im Großraum Ingolstadt, zitiert aus einer Pressemitteilung der Stadt Ingolstadt:

Die ,fetten‘ Jahre und ihre Auswirkungen

Die seit Jahrzehnten durch die Automobilindustrie geprägte wirtschaftliche Monostruktur in Ingolstadt war und ist ;Fluch und Segen‘ zugleich. Die letzten 20 Jahre ist Audi von einem Rekordergebnis zum nächsten gesprungen, die Zahl der Mitarbeiter ist auf über 44.000 gestiegen, zahlreiche Zulieferer haben sich in der Region angesiedelt. Die Einwohnerzahl ist um 23.000 gewachsen, die Gewerbesteuereinnahmen sind auf Rekordniveau gestiegen. Das Bevölkerungswachstum hat einen enormen Investitionsbedarf ausgelöst, etwa im Straßenbau, im Neubau von Schulen und Kindertagesstätten – und gleichzeitig standen und stehen wir vor der Herausforderung, in der städtischen Infrastruktur auch Sanierungen im Bestand, während des laufenden Betriebs, vorzunehmen.  Nach den Prognosen sowohl des Freistaats als auch nach unseren eigenen Prognosen wird unsere Bevölkerung weiter wachsen: Bis 2038 auf ca. 150.000 Einwohner. In den sogenannten ,fetten‘ Jahren konnten im Haushalt Schulden getilgt und Rücklagen aufgebaut werden. Ingolstadt ist die letzten Jahre auf der Einnahmenseite sehr verwöhnt worden, aber die Rekorde vergangener Jahre waren und sind im Städtevergleich nicht der Normalfall.

Die Herausforderungen

Die Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit sind bekannt: Diesel-Krise, Technologietransfer in der Autoindustrie und jetzt auch noch die Corona-Pandemie. Alles in allem ein schwieriges wirtschaftliches Umfeld.  Wir stehen heute vor der Quadratur des Kreises: Auf der einen Seite sinken die Steuereinnahmen. Auf der anderen Seite müssen wir wichtige Investitionen weiterführen, damit wir uns auch für die Zukunft gut aufstellen und als Standort wettbewerbsfähig bleiben.

Die guten Nachrichten

Der Stellenrückgang in der Automobilbranche ist größtenteils über die demografische Entwicklung zu schaffen. Gleichzeitig gibt es wirtschaftlich gesehen große Hoffnungsschimmer: Am IN-Campus entstehen tausende neue Arbeitsplätze im Hochtechnologiebereich. Für den Bereich der Mobilität der dritten Dimension, also die Luftfahrt, fließen 100 Millionen in die Region, sie werden die neuen Arbeitsplätze und die Wirtschaftskraft der Zukunft sichern. Die Bedeutung des Hochschul- und Wissenschaftsstandorts Ingolstadt wächst, dazu nur ein Beispiel: für den Schwerpunkt Mobilität und Knotenpunkt Künstliche Intelligenz fließen aktuell sieben Millionen Euro Förderung für das Projekt KIVI zur Verkehrssteuerung  Mir ist um die Zukunft Ingolstadts und der Region deshalb wahrlich nicht bange, aber wir müssen der aktuellen Situation Rechnung tragen und unsere Hausaufgaben machen.

Wettbewerbsfähigkeit erhalten – Haushalt konsolidieren

Wettbewerbsfähigkeit erhalten

In den kommenden Jahren wird es vor allem darauf ankommen, dass wir als Stadt und als Wirtschaftsstandort beim Ringen um Fachkräfte wettbewerbsfähig bleiben. Und da geht es auch und vor allem darum, die weichen Standortfaktoren zu stärken. Ingolstadt hat enorm viel vorzuweisen, mit seiner Historie, als Großstadt im Grünen mit einem sehr hohen Freizeitwert – Ingolstadt kann mit vielen Pfunden wuchern, tut es aber viel zu wenig. Wir müssen uns im Bereich des Stadtmarketings und des Tourismus besser aufstellen. Die Weichen, die mit dem Kongresszentrum und dem Kongresshotel gestellt worden sind, halte ich für absolut richtig. Dass einzelne Gestaltungsaspekte im Detail möglicherweise optimierbar gewesen wären, mag sein. Aber mit dem Gießereigelände machen wir einen großen Schritt nach vorne, um unseren Wirtschaftsstandort zu stärken.  Das Gleiche gilt für das Kleine Haus des Stadttheaters, die Kammerspiele: Da geht es nicht um kulturellen Luxus, sondern darum, unsere Stadt für Fachkräfte attraktiv zu machen und das Profil unserer Stadt zu schärfen, eben darum, unsere weichen Standortfaktoren zu stärken. Außenstehende sollen unsere Stadt nicht bloß mit Autos in Verbindung bringen, sondern mit einer attraktiven Stadt, in der es mehr gibt als gut bezahlte Arbeitsplätze. Eine Stärkung der weichen Standortfaktoren sichert zugleich unseren Wirtschaftsstandort der Zukunft. Es handelt sich um zwei Seiten derselben Medaille.  Der Personalhaushalt ist in den vergangenen Jahren vor allem im Bereich der Schulen und Kindertagesstätten aufgrund des Bevölkerungswachstums und der erfreulicherweise gestiegenen Geburtenzahlen enorm gewachsen. Die Kernverwaltung musste dagegen vielfach zurückstehen, was wir mit dem Beschluss des Stellenplans dieses Jahr korrigiert haben. Die beschlossenen Stellen waren richtig und notwendig, denn die Verdichtung der Arbeit auf die vorhandenen Schultern ist nur zu einem gewissen Grad möglich. Gleichwohl müssen wir den Personalhaushalt künftig in den Griff bekommen.

Haushalt konsolidieren

Den Transformationsprozess in der Autoindustrie haben Stadtrat und Stadtspitze ebenso wenig zu verantworten wie die Corona-Pandemie, aber wir können die Auswirkungen gestalten. Wir können die Begleiterscheinungen abmildern. Wir können selbst etwas tun und müssen im Stadtrat gemeinsam diskutieren, wie wir durch die wirtschaftliche und finanzielle Talsohle kommen.

Ich habe deshalb die Verwaltung beauftragt, ein Konsolidierungsprogramm vorzulegen und Vorschläge zu unterbreiten, sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite.

  • Unter Federführung des Referats I (Personal-, Organisations- und IT-Management) lasse ich ein Projekt ,Aufgabenkritik‘ auflegen, und zwar nicht auf dem Rücken des Personals, sondern im Gegenteil: Ziel ist, das Personal zu entlasten und den Personalhaushalt in den Griff zu bekommen. Die Aufgaben der Verwaltung und die Standards sind in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen. Wenn wir es schaffen wollen, dass sich der künftige Personalaufwuchs in Grenzen hält, müssen wir unsere Aufgaben kritisch hinterfragen. Wir müssen unsere Prozesse anschauen: Wo können wir optimieren, wo besteht ein struktureller Überhang, wo sind Dringlichkeiten? Das alles soll begleitet werden durch einen Genehmigungsvorbehalt bei der Besetzung frei gewordener Stellen. Das heißt, dass wir jede Stelle, die frei wird, genau anschauen.
  • Auch die Beteiligungsunternehmen können bei diesem Prozess nicht außen vor bleiben. Auch hier müssen Aufgaben, Prozesse und Betriebskostenzuschüsse kritisch hinterfragt werden.
  • Ebenso müssen wir die Einnahmenseite in den Blick nehmen und verschiedene Optionen prüfen. Ich werde deshalb das Referat II (Finanzen und Liegenschaften) beauftragen, dem Stadtrat hierzu Vorschläge zu unterbreiten. Ich persönlich halte zum Beispiel eine Anhebung des Grundsteuerhebesatzes von 460 auf 510 Punkte für vertretbar. Dies würde 3 Mio. Euro pro Jahr an Mehreinnahmen bringen und wir lägen im Ranking der bayerischen Großstädte lediglich statt auf Platz 6 auf Platz 5, also immer noch relativ günstig.
  • Kein Verständnis habe ich dafür, dass der Stadtrat sich in seiner letzten Sitzung angesichts der Haushaltslage vorschnell noch nicht einmal zu einer Prüfung (!) der Zweitwohnungssteuer bereit erklärt hat. Auch wenn hier keine riesigen Einnahmen zu erwarten sind, sollten alle Optionen geprüft werden – zumal solche, die die Ingolstädterinnen und Ingolstädter nicht belasten.
  • Angesichts unserer enormen Investitionen im Bausektor brauchen wir ein leistungsstarkes Baukostencontrolling. Das Rechnungsprüfungsamt hat diese Aufgabe bislang erfolgreich nebenbei übernommen, aber wir können der Stadt viel Geld sparen, wenn wir das auf noch professionellere Beine stellen. • Die freiwilligen Leistungen stehen für mich nicht zur Debatte, denn der gesellschaftliche Schaden stünde in keinem Verhältnis zum finanziellen Nutzen.
  • Auch wäre es in der jetzigen wirtschaftlichen Situation ein fatales Signal, die Gewerbesteuer zu erhöhen.  Der Stadtrat wird die von mir angestoßenen kommenden Vorschläge der Verwaltung im Einzelnen diskutieren und – hoffentlich – die richtigen Entscheidungen für die Zukunft unserer Stadt treffen.

Bund und Land

Bund und Freistaat haben die gewaltigen Einnahmenausfälle durch die Corona-Pandemie dieses Jahr kompensiert. Die Pandemie ist aber noch lange nicht zu Ende und die Kommunen haben weiter die Folgen der von Bund und den Ländern beschlossenen ,Lockdowns‘ zu tragen. Ich fordere Bund und Freistaat daher auf, auch 2021 die zu erwartenden Steuerausfälle zu kompensieren. Wir werden zusammen mit dem Städtetag entsprechend an Bund und Freistaat herantreten.  Ausblick Was in unserer eigenen Hand liegt, werden wir tun. Wir legen die Hände nicht in den Schoß und verlassen uns nicht auf Hilfe von außen. Die Verwaltung wird dem Stadtrat in den kommenden Monaten detaillierte Vorschläge für ein Konsolidierungsprogramm vorlegen. Sicherung und Erhalt der finanziellen Leistungsfähigkeit werden für die kommenden Jahre eine Daueraufgabe bleiben. Klar ist aber auch: Wir werden auch in Zeiten der Haushaltskonsolidierung weiter in die Zukunft investieren, insbesondere geht es beim Schul- und Kitabau ohne Verzögerungen weiter. Wir bleiben auch unserer sozialen Verantwortung als Stadt gerecht, etwa wenn wir morgen die Vergütung der Servicemitarbeiter des Klinikums diskutieren.  Wir werden auch in Zeiten der Haushaltskonsolidierung unsere Stadt gestalten und nicht bloß verwalten.”

 

Foto: Rössle/Stadt Ingolstadt