Das Bermudadreieck rund um die Ingolstädter Kreuzstrasse ist ein gastronomisches Zentrum in der Altstadt. Ehrenbürger Hermann Regensburger und der Fotograf Ritchie Herbert haben sich die Partymeile angeschaut.
Von Hermann Regensburger
Die Kreuzstrasse beginnt von Westen her beim Kreuztor, dem 1385 erbauten Wahrzeichen der Stadt Ingolstadt. Der Name des Tores und der Straße leitet sich vom ehemaligen, westlich der Stadt gelegenen Aussätzigenhaus zum Heiligen Kreuz ab, das 1546 im Schmalkaldischen Krieg zerstört wurde.
Das siebentürmige Kreuztor ist Teil der im Jahr 1363 errichteten zweiten Ingolstädter Stadtmauer.
Baulich wird die Kreuzstrasse vom Münster (Bauzeit 1425 – 1525), von den Ingolstädtern auch Obere Pfarr genannt, dominiert. Die älteren Ingolstädter erinnern sich noch, dass die Kirche ursprünglich innerhalb eines ummauerten Friedhofs stand, der 1803 aufgelassen wurde. Erst bei der großen Kirchenrenovierung 1950 wurden die die circa ein Meter hohe Aufschüttung, der Gitterzaun und die mächtigen Bäume entfernt, wodurch das Münster in seiner Wuchtigkeit erst richtig zur Geltung kommt.
Pferdebahn in der Altstadt
Die Kreuzstrasse endet im Osten beim Poppenbräu, vor dem die Endstation der 1878 eröffneten Pferdebahn zwischen der Altstadt und dem Hauptbahnhof lag. Zu dieser Zeit hatte Ingolstadt rund 14.000 Einwohner. Die Pferdebahn war die erste Straßenbahn des Deutschen Reichs in der damaligen Kleinstadt. Damals musste schnell eine Lösung her, da der Bahnhof rund drei Kilometer vom Zentrum entfernt war. König Ludwig II. unterzeichnete höchstpersönlich am 24. September 1878 die Konzession für die Pferdebahn, die bis 1927 in Betrieb war.
Als „hässliche Warze im schönen Gesicht Ingolstadts“ bezeichnete ein früherer Oberbürgermeister den „palazzoartigen Neurenaissance-Bau“ (Kreuzstrasse 12), heute „Diagonal“, der mit seinen Ausmaßen „die Maßstäblichkeit der mittelalterlichen Kreuzstrasse“ sprengt. Seit 1878 diente er als Postgebäude, daher der bei den alten Ingolstädtern noch gebräuchliche Name „Alte Post“.
Prominenter Bewohner war jahrzehntelang der bekannte Ingolstädter Kunstmaler Knut Schnurer, dem es sehr gelegen kam, dass gleich gegenüber seine Lieblingskneipe das „Mo“ (benannt nach dem Pariser Künstlerviertel Montmartre) steht. Unter der jahrzehntelangen mütterlichen Betreuung der Wirtin Kraus Liesl trafen sich dort Schauspieler und Künstler, um über Gott und die Welt zu reden. Wer seine manchmal beachtliche Rotweinrechnung nicht begleichen konnte, durfte auch mit einem Bild oder einer spontanen Skizze bezahlen.
Nicht unerwähnt bleiben soll der „Englwirt“, nicht wegen seiner historischen Bausubstanz, sondern als seit Jahrzenten beliebtes Kultlokal der Stadt. Es gehörte zum Komplex des sogenannten Bermudadreiecks, in dem sich in den 70er und 80er Jahren das Ingolstädter „Nachtleben“ abspielte, was zu erheblichen Beschwerden über nächtliche Ruhestörungen führte. Das seither ab 20 Uhr bestehende Durchfahrtverbot beim Kreuztor wird allerdings von niemand beachtet und auch nie kontrolliert.
Die legendären Uhlmann-Brezen, gehören leider seit kurzem der Vergangenheit an. Die Bäckerei hat mangels Nachfolger endgültig geschlossen. Ebenso die Bäckerei Lang neben dem Münster und die Metzgerei Kammerer, später Rottmüller an der Einmündung der Bergbräustrasse. Schade! Dort war dann zunächst das „Zwickl“, dann das „Pater Noster“ und heute das „Due“.
Viele alte Ingolstädter erblickten das Licht der Welt in der Lieblklinik (Kreuzstrasse 18). Das von Sanitätsrat Liebl, dem Schwiegervater des Verlegers Dr. Wilhelm Reissmueller, betriebene Krankenhaus half unter fürsorglicher Betreuung der Barmherzigen Schwestern vielen Ingolstädter Babys, auch dem Schreiber dieser Zeilen, das Licht der Welt zu erblicken.
Schließlich muss noch die Kreuzschmiede Erwähnung finden. Mehr als ein halbes Jahrhundert lang bis zum Ende der 60er Jahre wurden hier Rösser und auch Ochsen beschlagen. Eine Attraktion auch für mich, wenn ich mir als Schüler auf dem Nachhauseweg den Geruch von verbranntem Horn in die Nase steigen ließ.
Da um die Obere Pfarr meist ein kräftiger Wind weht, reimen die alten Ingolstädter: „Wenn an da Obern Pfarr weht koa Wind, wenn in da Schuistrass spuid koa Kind, wenn am Schlifflmarkt san koane Leid, dann is as End nimma weit!“
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