VW-Abgasskandal: Einigung in Sicht

Volkswagen AG soll 4,3 Milliarden US-Dollar Bußgeld- und Strafzahlungen leisten

Die Produktion des Golfs im Volkswagen-Werk Wolfsburg
Die Produktion des Golfs im Volkswagen-Werk Wolfsburg

Die Volkswagen AG hat jetzt bestätigt, dass eine Einigung im VW-Dieselskandal mit dem US-Justizministerium in Sicht ist. VW beziffert das Bußgeld- und Strafzahlungen auf 4,3 Milliarden US-Dollar.

In einer jetzt veröffentlichten Ad-hoc-Mitteilung des Wolfsburger Automobilkonzerns heißt es: „Die Volkswagen AG bestätigt, dass sie sich in fortgeschrittenen Gesprächen mit dem US-amerikanischen Justizministerium (Department of Justice) sowie der US-amerikanischen Zollbehörde (U.S. Customs and Border Protection) befindet. Ziel der Gespräche ist der Abschluss von Vergleichsvereinbarungen über die Beilegung bestimmter strafrechtlicher Untersuchungen und bestimmter zivilrechtlicher Bußgeldverfahren im Zusammenhang mit der Dieselthematik in den USA“.

Die Volkswagen AG bestätigt zudem „Marktgerüchte“, dass die Gesellschaft einen konkreten Vergleichsentwurf mit den genannten US-Behörden ausgehandelt hat, der Bußgeld- und Strafzahlungen in einer Gesamthöhe von rund 4,3 Milliarden US-Dollar sowie Maßnahmen zur weiteren Stärkung der Compliance- und Kontrollsysteme einschließlich der Bestellung einer unabhängigen Aufsichtsperson (Independent Monitor) für die kommenden drei Jahre vorsieht.

Weiter heißt es: „Teil dieses Vergleichsentwurfs ist auch ein Schuldanerkenntnis (Guilty Plea) in Bezug auf bestimmte US-amerikanische Strafvorschriften sowie eine Beschreibung der Fakten (Statement of Facts), auf deren Grundlage die Strafzahlungen zu leisten sind.

Der tatsächliche Abschluss des Vergleichs steht jedoch noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Vorstands und des Aufsichtsrats der Volkswagen AG sowie der Zustimmung der Organe weiterer betroffener Konzerngesellschaften. Die zuständigen Gremien werden sich mit der Sache kurzfristig befassen, möglicherweise noch im Laufe des heutigen 10. bzw. morgigen 11. Januar 2017. Eine tatsächliche Vergleichsvereinbarung steht zudem noch unter dem Vorbehalt der Ausfertigung durch die zuständigen US-Behörden sowie der Genehmigung durch die zuständigen US-Gerichte.

Kommt es zu dem Vergleich, werden die Zahlungsverpflichtungen voraussichtlich zu einem die bestehenden Rückstellungen übersteigenden finanziellen Aufwand führen. Wie hoch die Belastung für das Jahresergebnis 2016 konkret sein wird, hängt von einer Reihe weiterer Faktoren ab und lässt sich derzeit noch nicht bestimmen.“

Die Volkswagen AG, deren Tochterunternehmen Audi das Stammwerk in Ingolstadt betreibt, zählt zu den größten Steuerzahlern in der oberbayerischen Großstadt.

Update: Am 11. Januar 2017 hat Volkswagen eine Pressemitteilung zu den Vergleichsvereinbarungen mit der US-Regierung veröffentlicht. Hier das Original:

Die Volkswagen AG hat sich mit der US-Regierung auf die Beilegung strafrechtlicher Ansprüche und Umweltschutzklagen auf Bundesebene sowie weiterer gegen das Unternehmen gerichteter zivilrechtlicher Ansprüche geeinigt, die im Zusammenhang mit der Dieselthematik stehen. Als Teil der Vergleichsvereinbarungen hat sich Volkswagen zu Bußgeld- und Strafzahlungen von insgesamt 4,3 Milliarden US-Dollar sowie zu einer Reihe von Maßnahmen bereit erklärt, mit denen seine Compliance- und Kontrollsysteme weiter gestärkt werden sollen. Hierzu zählt auch die Bestellung einer unabhängigen Person (Monitor) für die kommenden drei Jahre.

Matthias Müller, Vorsitzender des Vorstands des Volkswagen Konzerns, sagte: „Volkswagen bedauert die Handlungen, die zur Dieselkrise geführt haben, zutiefst und aufrichtig. Seit Bekanntwerden haben wir unermüdlich daran gearbeitet, die Dinge für unsere betroffenen Kunden wieder in Ordnung zu bringen. Auf diesem Weg haben wir bereits einiges erreicht.

Die mit der US-Regierung getroffenen Vereinbarungen sind nicht zuletzt Ausdruck unserer Entschlossenheit, gegen ein Fehlverhalten vorzugehen, das sich gegen alles gerichtet hat, wofür Volkswagen steht. Sie sind ein wichtiger Schritt nach vorne für unser Unternehmen und alle Mitarbeiter.”

Hans Dieter Pötsch, Vorsitzender des Aufsichtsrates des Volkswagen Konzerns, sagte: „Als die Dieselthematik öffentlich geworden ist, haben wir versprochen, dass wir den Dingen umfassend und objektiv auf den Grund gehen werden. Zudem hat eine Sondereinheit unserer Internen Revision unmittelbar nach Bekanntwerden des Themas unsere Prozesse, Berichts- und Kontrollsysteme einer genauen Untersuchung unterzogen. Der Volkswagen Konzern ist heute ein anderes Unternehmen als noch vor 16 Monaten. Aufsichtsrat und Vorstand haben sich selbstkritisch mit der Vergangenheit auseinandergesetzt.”

Die getroffenen Vereinbarungen umfassen vier Vergleiche, darunter auch ein sogenanntes Plea Agreement mit dem US-Justizministerium (Department of Justice, DOJ). Dieses geht einher mit der Veröffentlichung eines „Statement of Facts”, das die gewonnenen Erkenntnisse und Fakten über die Entstehung und Entwicklung der Dieselverfehlungen wiedergibt.

Volkswagen hat mit dem US-Justizministerium kooperiert. Der Aufsichtsrat hat die Kanzlei Jones Day beauftragt, dem US-Justizministerium vollumfänglich Zugang zu den Erkenntnissen zu gewähren, die im Rahmen der unabhängigen Untersuchung gewonnen wurden. Das Statement of Facts baut sowohl auf der umfangreichen Arbeit von Jones Day auf, als auch auf Beweismaterial, das vom US-Justizministerium erhoben wurde.

Als Teil des Vergleichs (Plea Agreement) mit dem US-Justizministerium hat die Volkswagen AG einem Schuldanerkenntnis (Guilty Plea) im Hinblick auf drei nach US-amerikanischem Recht strafbaren Handlungen zugestimmt. Der Vergleich, der der gerichtlichen Genehmigung auf Bundesebene bedarf, enthält Bestimmungen zur Leistung einer Strafzahlung in Höhe von 2,8 Milliarden US-Dollar sowie zur Bestellung eines unabhängigen Monitors für die kommenden drei Jahre. Dieser Monitor hat die Aufgabe, die Erfüllung der im Vergleich dargelegten Bedingungen seitens Volkswagen zu bewerten und zu beaufsichtigen. Zu diesen Bedingungen zählen auch Maßnahmen zur weiteren Stärkung der Compliance und der Berichts- und Kontrollsysteme bei Volkswagen sowie die Implementierung eines erweiterten Programms für ethisches Verhalten.

Volkswagen hat darüber hinaus einer kombinierten Strafzahlung in Höhe von 1,45 Milliarden US-Dollar zugestimmt, um Umweltschutzklagen des Bundes sowie Zoll-bezogene zivilrechtliche Ansprüche in den USA beizulegen. Des Weiteren hat sich Volkswagen zu einer separaten Zivilstrafe in Höhe von 50 Millionen US-Dollar an die zivilrechtliche Abteilung (Civil Department) des US-Justizministeriums bereit erklärt, um potenzielle Ansprüche beizulegen, die im Rahmen des Financial Institutions Reform, Recovery and Enforcement Act (FIRREA) geltend gemacht werden. Volkswagen weist die Haftung in der letzteren Sache sowie entsprechende Ansprüche ausdrücklich zurück, hat einem Vergleich jedoch zugestimmt, um die Unsicherheit und den Aufwand einer langwierigen rechtlichen Auseinandersetzung zu vermeiden.

Gemäß ihren Bedingungen stellen die heute bekanntgegebenen Vereinbarungen eine Lösung für Volkswagens Verpflichtungen nach US-Recht dar und sind nicht darauf ausgerichtet, die Verpflichtungen von Volkswagen, sofern sie bestehen, im Rahmen der Gesetze oder Bestimmungen eines Rechtssystems außerhalb der USA zu adressieren. Volkswagen kooperiert weiterhin vollumfänglich mit dem US-Justizministerium in Bezug auf Handlungen von Individuen sowie mit den Staatsanwaltschaften in Braunschweig und München im Hinblick auf die dort laufenden Ermittlungen. Um Vorverurteilungen zu vermeiden und die noch laufenden Untersuchungen nicht zu behindern, wird das Unternehmen zum Statement of Facts oder zu den Erkenntnissen aus der Arbeit von Jones Day nicht weiter Stellung nehmen.

Seit Ende September 2015 hat Volkswagen signifikante Schritte zur Bewältigung der Dieselthematik und zu einer Neuausrichtung des Konzerns für die Zukunft ergriffen. Der aktuelle Veränderungsprozess markiert den tiefgreifendsten Wandel in der Firmengeschichte und geht mit einer Transformation des Kerngeschäfts einher.

Die in Reaktion auf die Dieselthematik umgesetzten Initiativen zielen auf die weitere Stärkung der operativen Prozesse sowie der Berichts- und Kontrollsysteme ab, um zu gewährleisten, dass Verantwortlichkeiten jederzeit klar und unmissverständlich geregelt sind. Außerdem wurden ein robusteres Whistleblower-System sowie neue, strengere Standards für die Durchführung eigener Emissionstests etabliert. Der Volkswagen Konzern wird – auch unabhängig von der Vorgängen, die zur Dieselthematik geführt haben – weiter jeden Stein umdrehen, um Regelverstöße zu verhindern bzw. so früh wie möglich zu identifizieren.

Hans Dieter Pötsch sagte: „Das Vertrauen unserer Kunden, Anteilseigner, Partner, Mitarbeiter und der gesamten Öffentlichkeit ist unser höchstes Gut. Der Aufsichtsrat wird alles daran setzen, dass Volkswagen dieses Vertrauen vollständig wiederaufbaut. Dabei können und werden wir auf die Qualitäten und Stärken aufbauen, die unser Unternehmen von jeher geprägt und stark gemacht haben.”

Müller führte aus: „Wir haben wichtige Schritte unternommen, um Verantwortlichkeiten zu schärfen, Transparenz auszubauen und zu verhindern, dass sich Vergleichbares jemals wiederholt. Wir werden weiter unverändert und mit Nachdruck den Wandel im Denken und Handeln vorantreiben, den Volkswagen braucht. Volkswagen kann und wird in den kommenden Jahren zu einem Beispiel dafür werden, wie ein großes, globales Unternehmen seine gesellschaftliche Verantwortung ernst nimmt, lebt und vorlebt. Wir wissen, dass unser Erfolg untrennbar mit der Art und Weise verknüpft ist, wie wir uns als Unternehmen verhalten.”

Der Konzern hat seine Selbstverpflichtung zu ethischem und integrem Verhalten erheblich ausgeweitet und die Dezentralisierung innerhalb der Organisation vorangetrieben. Marken und Regionen können im operativen Geschäft heute deutlich unabhängiger agieren. Diese und andere Initiativen sind Bestandteil der umfassenden Veränderung der Firmenkultur von Volkswagen hin zu einer stärker unternehmerisch geprägten und internationaleren Organisation.
HINWEISE AN DIE REDAKTIONEN

Volkswagen in den Vereinigten Staaten

Die Volkswagen Group of America (VWGoA), eine hundertprozentige Tochter der Volkswagen AG, beschäftigt in den USA mehr als 6.000 Mitarbeiter und kooperiert mit über 1.000 Händlern in allen 50 US-Bundesstaaten. Volkswagen ist in den USA schon seit über 60 Jahren präsent. Heute unterhält die VWGoA dort mehr als 30 Standorte, darunter ein mit LEED Platin zertifiziertes Produktionswerk in Chattanooga, Tennessee.

Das Werk in Chattanooga beschäftigt über 2.500 Mitarbeiter und kooperiert mit Zulieferern, die ihrerseits rund 9.200 Arbeitsplätze bereitstellen. In Chattanooga läuft der Volkswagen Passat vom Band; erst kürzlich wurde das Werk erweitert, um auch die Produktion eines neuen mittelgroßen Siebensitzer-SUV, des Volkswagen Atlas, zu beherbergen. Volkswagen investiert 900 Millionen US-Dollar, um mit der Fertigung des neuen SUV seine Produktion in den USA zu erweitern. Insgesamt plant die Volkswagen AG für Nordamerika ein Investitionsvolumen von mehr als 7,0 Milliarden US-Dollar zwischen 2015 und 2019.

Andere in den Vereinigten Staaten getroffene Vereinbarungen

Am 25. Oktober 2016 hat Volkswagen bereits die finale gerichtliche Genehmigung für ein 2,0l-TDI-Vergleichsprogramm erhalten, mit dem zivilrechtliche Ansprüche im Zusammenhang mit ungefähr 475.000 in Frage kommenden 2,0l-TDI-Fahrzeugen der Marken Volkswagen und Audi in den Vereinigten Staaten beigelegt werden. Im Rahmen dieses Programms hat Volkswagen außerdem zugestimmt, über einen Zeitraum von drei Jahren eine Summe von 2,7 Milliarden US-Dollar in einen Fonds einzuzahlen, um die über die gesamte Lebensdauer hinweg

auftretenden, überschüssigen Stickoxid-Emissionen (NOx) von 2,0l-TDI-Fahrzeugen auszugleichen. Zudem wird Volkswagen über zehn Jahre hinweg 2,0 Milliarden US-Dollar in die Infrastruktur für Null-Emissions-Fahrzeuge sowie in Initiativen investieren, die den entsprechenden Zugang und die öffentliche Sensibilisierung für diese Technologie fördern.

Am 20. Dezember 2016 hat Volkswagen mit den US-Umweltbehörden eine Vereinbarung getroffen, mit der zivilrechtliche Ansprüche im Zusammenhang mit etwa 83.000 3,0l-TDI-V6- Fahrzeugen in den Vereinigten Staaten beigelegt werden sollen. Auf Basis der Vereinbarung in Form eines angestrebten Consent Decree wäre es Volkswagen möglich, über 75 Prozent der betroffenen 3,0l-TDI-V6-Fahrzeuge zurückzurufen und in Einklang mit genau den Emissionsstandards zu bringen, gemäß derer sie ursprünglich zertifiziert wurden. Die Voraussetzung dafür ist, dass EPA und CARB entsprechende technische Anpassungsmaßnahmen freigeben. Am 22. Dezember 2016 hat der Volkswagen Konzern mit dem gerichtlich bestellten Steuerungskomitee der Kläger (Plaintiffs’ Steering Committee, PSC) eine Grundsatzvereinbarung über die Zahlungen und Leistungen geschlossen, die berechtigte US-Kunden mit betroffenen 3,0l-TDI-V6-Fahrzeugen in den Vereinigten Staaten im Rahmen des angestrebten Vergleichs erhalten werden. Das Gericht hat die Parteien angewiesen, bis zum 31. Januar 2017 Unterlagen zur vorläufigen Genehmigung der Vereinbarung einzureichen.

Volkswagen hat separate Vergleichsvereinbarungen mit 44 US-Bundesstaaten, dem District of Columbia und Puerto Rico getroffen, mit denen Verbraucherschutzklagen im Zusammenhang mit der Dieselthematik auf Ebene der US-Bundesstaaten beigelegt werden.

Am 18. Oktober 2016 hat Volkswagen außerdem die vorläufige Genehmigung für eine Vereinbarung zur Beilegung von Klagen seitens etwa 650 VW-Vertragshändlern in den USA erhalten, die im Zusammenhang mit von der Dieselthematik betroffenen TDI-Fahrzeugen und anderen Ansprüchen stehen, die in Bezug auf den Franchise-Wert geltend gemacht wurden. Das Gericht hat für den 18. Januar 2017 eine Anhörung angesetzt, um dort über die abschließende Genehmigung der angestrebten Einigung zu entscheiden.

Foto: Volkswagen AG

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